Weltausstellung 1873 in Wien

Die Donaumonarchie präsentiert sich der Welt

 

Die Weltausstellung in Wien wurde, gerade auch wegen der wenige Jahre zuvor verlorenen Kriege gegen Preußen und Italien, zu dem gesellschaftlichen Ereignis der österreichisch-ungarischen Monarchie des Jahres 1873 gemacht. Der habsburgische Staat wollte sich dem internationalen Publikum von seiner besten und fortschrittlichsten Seite zeigen, weshalb keine Kosten und Mühen gescheut wurden.

Eine Auflistung der wichtigsten beteiligten Personen, vor allem aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft in der cisleithanischen Reichshälfte, sowie einen Einblick in die umfassenden Befugnisse und große Autorität des Generaldirektors der Weltausstellung, Dr. Wilhelm Freiherr von Schwarz-Senborn, erhält man durch das Organisationsstatut. Einleitend heißt es darin:

Zur Repräsentirung der mit der Allerhöchsten Entschliessung vom 24. Mai 1870 Allergnädigst angeordneten, am 1. Mai 1873 in Wien im Prater zu eröffnenden Weltausstellung nach Aussen und zur Berathung allgemeiner principieller, die Ausstellung betreffenden Fragen, wird aus den Spitzen der k. k. Ministerien, der Obersten Hofämter, der öffentlichen Landes- und Communalbehörden und Institute und der hervorragendsten Fachvereine in Wien, sowie aus Vertretern der Kunst und Wissenschaft, des Handels, der Industrie und der Gewerbe, der Land- und Forstwirtschaft, des Berg- und Hüttenwesens eine kaiserliche Commission gebildet, deren Präsident, Vicepräsidenten und Mitglieder durch Se. Majestät den Kaiser ernannt werden.

Auf den Seiten 75 und 76 des Compass von 1873 wird auch auf die Aufgaben der Landeskommissionen hingewiesen, wenn es etwa heißt, dass sie „auf den möglichst zahlreichen Besuch der Ausstellung von Seite der arbeitenden Classen hinzuwirken“ haben.

Quelle: Compass. Jahrbuch für Volkswirthschaft und Finanzwesen 1873. Hrsg. von Gustav Leonhardt. 6. Jg. Wien: Beck'sche Universitäts-Buchhandlung (Alfred Hölder) [1873]. S. 69-76

 

Zu hohe Erwartungen

 

Dieses für das damalige Wien gigantische Ereignis wurde von den meisten Unternehmen der Monarchie sehnsüchtig erwartet und führte zu einem massiven Investitionsschub im Vorfeld der Weltausstellung von 1873. Doch schon bald wurde das bejubelte Großereignis zu einer wirtschaftlichen Enttäuschung für die Planer und Investoren. Denn sowohl der Besucherandrang mit 7.255.000 Besuchern, statt der erwarteten 20 Millionen, als auch die direkten Einnahmen blieben weit hinter den Erwartungen zurück.

Mitverantwortlich für die ausbleibenden Besucher und Einnahmen waren zwei nicht vorhersehbare Katastrophen: Nur eine Woche nach der feierlichen Eröffnung vom 1. Mai 1873 kam es am 9. Mai in Wien zu einem Börsenkrach, der in eine internationale Wirtschaftskrise mündete. Dies wirkte sich umso verheerender aus, als in den Jahren davor ununterbrochenes, starkes Wirtschaftswachstum und eine dementsprechend optimistische Stimmungslage vorgeherrscht hatte.  

Als zweites Desaster folgte der Ausbruch einer Choleraepidemie in Österreich-Ungarn, die während der Zeit der Ausstellung auch Wien erfasste und internationale Besucher abschreckte.

Im Gegensatz zu den verhältnismäßig bescheidenen Einnahmen, überstiegen die Kosten der Weltausstellung alle vorherigen Planungen bei weitem. Dies führte zu einem erheblichen Defizit des staatlichen Projekts und Finanzierungslücken vieler privater Unternehmen. Eine Situation, welche durch die zeitgleich einsetzende Wirtschaftskrise naturgemäß noch weiter verschärft wurde.

Die grundlegende Finanzierung der Veranstaltung erfolgte durch einen 1871 per Gesetz vom Staat vergebenen Kredit in der Höhe von  6 Millionen Gulden für die Organisation der Weltausstellung.

Auf diesem Gesetz aufbauend wurde ein Weltausstellungsfond ins Leben gerufen, über den unter anderem der Compass von 1873 auf den Seiten 70 bis 71 berichtet.

Quelle: Compass. Jahrbuch für Volkswirthschaft und Finanzwesen 1872. Hrsg. von Gustav Leonhardt. 5. Jg. Wien: Beck'sche Universitäts-Buchhandlung (Alfred Hölder) [1871]. S. 87-88.

Weitere Daten, welche die Ausgaben und Einnahmen für die Weltausstellung in Relation zum Gesamtbudget setzen, liefert der 1. Teil des Compass von 1874:

Die Staatseinnahmen aus der Weltausstellung betrugen 7.000.000 Gulden und lagen damit unter den Einnahmen der Branntweinsteuer mit 7.800.000 und weit abgeschlagen hinter jenen der Biersteuer, die mit 22.600.000 zu Buche schlug.

Hingegen führte die Weltausstellung zu Staatsausgaben in der Höhe von 10.700.000. Zum Vergleich: Die Ausgaben für die Landesverteidigung beliefen sich im gleichen Jahr auf 8.913.000 Gulden.

All diese Beträge relativieren sich ein wenig, angesichts der gesamten Staatsausgaben von 389.929.292 Gulden, sowie den Gesamteinnahmen in der Höhe von 393.677.697 des gleichen Jahres.

S. XIV-XVI

Insgesamt sollen sich die Ausgaben im Rahmen der Weltausstellung, wenn die verschiedenen Etats und alle Posten berücksichtigt werden,  für die Staatskasse auf etwa 13.000.000 Gulden belaufen haben.

S. XX-XXI

Quelle: Compass. Jahrbuch für Volkswirthschaft und Finanzwesen 1874. Erster Theil. Hrsg. von Gustav Leonhardt. 7. Jg. Wien: Beck'sche Universitäts-Buchhandlung (Alfred Hölder) [1873].

 

 

 

Die Weltausstellung als Infrastrukturprojekt

 

Diese Zahlen berücksichtigen natürlich nicht die längerfristig ertragreichen und für die Entwicklung der Stadt Wien und des Staates Österreich-Ungarn günstigen Initiativen und Investitionen, zum Beispiel in die Infrastruktur, die durch die Ausrichtung der Weltausstellung angeregt wurden.

Textpassage von „Die Wiener Weltausstellung 1873“ – aus dem Artikel „Mobilität“:

Innerstädtisch bewerkstelligten damals Pferdetramway, Pferdeomnibus (Stellwagen), Fiaker und Einspänner (Comfortables) den Verkehr. Die schienengebundene Pferdebahn war für die Wienerinnen und Wiener ein noch relativ neues Transportmittel. Erst 1865 hatte eine Probelinie ihren Betrieb aufgenommen und erst ab 1868 gab es fixe Haltestellen, sodass nicht länger jeder Fahrgast die Tramway an beliebiger Stelle anhalten konnte. Die Weltausstellung setzte nun einen starken Impuls zur Ausweitung des Streckennetzes, und die Gesamtfrequenz stieg von 18,8 (1872) auf 31,1 Millionen (1873) Fahrgäste. Eigene Linien wurden 1873 in die Nähe des Westportals des Ausstellungsplatzes geführt. Auf 37 Streckenkilometern waren 554 Wagen in Betrieb.

Wie die Wiener Weltausstellungs-Zeitung im März 1873 berichtete, mangelte es sowohl an Omnibuswagen als auch an Pferden. Nur 492 Omnibusse waren demnach tatsächlich in Betrieb, obwohl 930 Lizenzen vergeben worden waren. Um den Verkehr von und zu den Bahnhöfen zu erleichtern, ließ die Neue Wiener Omnibusgesellschaft 150 eigens dafür eingerichtete Wagen bauen (jeder hatte acht Sitze und eine „Galerie“ für das Gepäck). Auch die Pariser Omnibus-Aktien-Gesellschaft schickte im Juni des Jahres 70 Pferde zur Weltausstellung. Doch die modernen französischen Omnibusse machten einer Zeitungsnotiz zufolge in Wien so schlechte Geschäfte, dass sie im September nach Frankreich zurückgeschickt wurden, während die „Pferde hier in festen Händen“ waren.

Quelle: http://www.wiener-weltausstellung.at/mobilitaet.html   S. 2, vom 21.11.2014

Ein direkter Bezug zum Ausbau des Tramway-Verkehrsnetzes findet sich in der Compass-Ausgabe von 1873:

In der General - Versammlung am 26. März 1872 wurden folgende Beschlüsse gefasst: „Die Wiener Tramway-Gesellschaft möge innerhalb der gegebenen Frist ihre Bereitwilligkeit nicht nur zum successiven Ausbaue der vertragsmässigen, sondern auch zum Baue der sogenannten Weltaus-stellungslinien erklären.“ Zugleich wurden die zu diesem Zwecke erforderlichen Geldmittel im Betrage von 2 Millionen Gulden, welche entweder durch Ausgabe von Prioritäts-Obligationen, oder durch Aufnahme einer schwebenden Schuld, oder durch Emission neuer Actien oder endlich durch eine Combination dieser Beschaffungsarten aufzubringen sein werden, bewilligt und der Verwaltuugsrath mit der Durchführung dieser Operation beauftragt. Bezüglich des in der General-Versammlung am 30. März 1870 zur Emission bewilligten Actien-Capitales von 2,250.000 fl., von welchen 1'1 Millionen noch gar nicht emittirt wurden, erhielt der Verwaltungsrath die Ermächtigung, bei diesem Betrage dieselben Modalitäten beobachten zu dürfen, welche in Betreff obiger 2 Millionen festgestellt werden.

Quelle: Compass. Jahrbuch für Volkswirthschaft und Finanzwesen 1873. Hrsg. von Gustav Leonhardt. 6. Jg. Wien: Beck'sche Universitäts-Buchhandlung (Alfred Hölder) [1873]. S. 778

 

Bauboom in Erwartung der Besuchermassen

 

Neben dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und dem Umbau des Praters, inklusive seiner Buden im Wurstelprater, gab es auch erhebliche Investitionen in Gästeunterkünfte. Allen voran die Hotels ersten Ranges, wie das Métropole, Britannia und das Hotel Donau. Auch diese Pläne für die Hotellerie waren von mäßigem Erfolg gekrönt und litten unter deutlich überschrittenen Budgets, wie der Actien-Verein für Hotels- und Bade-Anstalten in Wien bekanntgeben musste:

Da die Etablissements bis zur Eröffnung der Weltausstellung fertig werden sollten, so wurden namentlich in Folge der gesteigerten Mobilienpreise die ursprünglichen Präliminarien weit überschritten. Es waren nämlich präliminirt: für das Hotel ,,Donau“: Baukosten 2,847.053 fl., Einrichtung 650.000 fl., Einrichtung der Badeanstalt daselbst 450.000 fl.; für das Hotel „Britannia“: Baukosten 1,307.910 fl., Einrichtung 475.000 fl.,zusammen also 5,729.963 fl. ohne Gründungskosten und Actienstempel. Verausgabt wurden dagegen: für Bau und Einrichtung des Hotel Donau 2,741.523 fl. 60 kr., des Römischen Bades sammt Administrations-Haus 1,860.276 fl. 37 kr., des Hotel Britannia 2,117.970 fl. 27 kr., für Actienstempel und Druck 47.276 fl. 25 kr., zusammen 6,767.046 fl. 49 kr. Oder um 1,037.083 fl. 49 kr. mehr gegenüber dem Präliminare.

Quelle: Compass. Finanzielles Jahrbuch für Österreich-Ungarn 1875. Zweiter Theil. Hrsg. von Gustav Leonhardt. 8. Jg. Wien: Beck'sche Universitäts-Buchhandlung (Alfred Hölder) [1875]. S. 320

Hinter diesen großangelegten Bauvorhaben und Investitionen in die Unterkünfte der Gäste, stand die Erwartung, nicht alle Besucher der Weltausstellung adäquat und innerhalb der Stadtgrenzen beherbergen, sowie mit allen, auch kleinen privaten, vorhandenen Quartieren über die Maße gute Profite machen zu können.

Textpassage von „Die Wiener Weltausstellung 1873“ – aus dem Artikel „Unterkünfte“:

Eine der dringlichsten Fragen, die das Großvorhaben Weltausstellung aufwarf, betraf die Unterbringung der ersehnten Besucherströme. Man hoffte auf bis zu 20 Millionen Gäste, doch nie zuvor hatte die Stadt so viele Menschen beherbergt. Da die Wiener Innenstadthotels nur für rund 10.000 Personen gerüstet waren, ließ die k.k. Polizeidirektion im Vorfeld erheben, wie viele Gäste in Privatzimmern unterkommen könnten, und ermittelte eine Zahl von 18.273 Betten innerhalb der Linien. In den Vororten glaubte man zusätzliche rund 12.000 Personen aufnehmen zu könnten.

Aufgrund der Erfahrungen bei früheren internationalen Ausstellungen war mit täglich 20.000 bis 30.000 in der Stadt verweilenden Fremden zu rechnen. Eine eigens eingesetzte „Immediat-Kommission“ rief daher zu verstärkter Bautätigkeit auf und förderte nach Möglichkeit Projekte privater Unternehmer zur Abhilfe der Wohnungsnot. Das Wiener Hotel- und Gastgewerbe erlebte in der Folge einen enormen Aufschwung, und ein wahrer Hotelbauboom setzte ein. Dabei entstanden nicht nur neue Hotels und Gasthöfe, auch bestehende Gebäude wurden erweitert und qualitativ aufgewertet.

Quelle: http://www.wiener-weltausstellung.at/unterkuenfte.html           S. 1, vom 21.11.2014

Diesem speziellen Thema, und hierbei insbesondere dem Bau großer Hotelanlagen für die Weltausstellung von 1873 und deren wechselvolle Geschichte danach, wird sich ein weiterer Artikel im ZEDHIA-Blog demnächst ausführlicher widmen.

 

Was blieb von der Weltausstellung?

 

Trotz der wirtschaftlichen Fehleinschätzungen und Verluste: Nicht zu vernachlässigen war für die Zeitgenossen der Statusgewinn, der sich durch die Abhaltung der ersten Weltausstellung im deutschsprachigen Raum ergab. Dieser soll sich letztlich auch monetär günstig auf die Kreditwürdigkeit Österreichs ausgewirkt haben. Wenn schon nicht direkt finanziell, so war die Weltausstellung von 1873 doch in jedem Fall ein „moralischer Erfolg“ der Monarchie, wie es in den „Finanzen Oesterreichs“ des Compass von 1874 ausgedrückt wurde: 

Die Zunahme der Steuerkraft, die Consolidirung der inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der  Monarchie, die guten Beziehungen Oesterreichs zu den Grossstaaten Europa’s, endlich seine vertrauenserweckende, freisinnige Politik, gewiss auch der moralische Erfolg der Wiener Weltausstellung, haben den Staatscredit Oesterreichs mächtig gehoben und gefestigt.

Quelle: Compass. Jahrbuch für Volkswirthschaft und Finanzwesen 1874. Erster Theil. Hrsg. von Gustav Leonhardt. 7. Jg. Wien: Beck'sche Universitäts-Buchhandlung (Alfred Hölder) [1873]. S. III

Den Stolz der teilnehmenden Unternehmen bringt auch ein Kommentar vom Herausgeber des Compass, Gustav Leonhardt, aus dem Vorwort der gleichen Ausgabe von 1874 zum Ausdruck:

Indem ich zum Schlusse erwähne, dass die Herausgabe des „Compass“ von der internationalen Jury der Wiener Weltausstellung 1873 durch Verleihung des Anerkennungs-Diploms ausgezeichnet wurde, erübrigt mir nur noch den Wunsch beizufügen, dass der „Compass“ auch in seinem siebenten Jahrgänge sich als dieser Anerkennung würdig erproben möge.

Quelle: Compass. Jahrbuch für Volkswirthschaft und Finanzwesen 1874. Erster Theil. Hrsg. von Gustav Leonhardt. 7. Jg. Wien: Beck'sche Universitäts-Buchhandlung (Alfred Hölder) [1873]. S. 5

Die Teilnahme an der Weltausstellung und Auszeichnungen, die Unternehmen durch dieselbe erhielten, fanden auch in den Inseraten der folgenden Jahre ihren Niederschlag. So in einer Anzeige von Wernard, mit der noch im Compass des Jahres 1910 mit der Teilnahme an der Ausstellung von 1873 geworben wurde:

Quelle: Compass. Finanzielles Jahrbuch für Österreich-Ungarn 1910. III. Band, [Teil 2]. Hrsg. von Rudolf Hanel. 43. Jg. Wien: Compassverlag 1910. S. 1362/III.

Nach dem Ende der Ausstellung blieben den Wienern auch die Gebäude, welche die wesentlichen Teile der Ausstellung selbst beherbergt hatten, erhalten. Dazu ein großes Gelände, das auch weiterhin für Veranstaltungen, vor allem Messen, genutzt wurde.

 

Zentrales Bauwerk des Weltausstellungsgeländes war die sogenannte Rotunde, ein Kuppelbau in Stahlkonstruktion. Für den Bau wurden erheblich mehr Mittel aufgewendet, als ursprünglich geplant waren, was einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Kostenexplosion des gesamten Projekts Weltausstellung leistete.

Die Rotunde wurde mit und nach der Exposition zu einem architektonischen Wahrzeichen der Stadt Wien. Das prominente Bauwerk fiel im September 1937 einem Brand zum Opfer, über den auch des Finanzielle Jahrbuch des Compass von 1939 berichtete, ebenso wie über den raschen Aufbau neuer Hallen auf dem gleichen Gelände durch die Messegesellschaft.

Heute zeugen nur noch einige Straßennamen vom einstigen Wahrzeichen Wiens und erinnern damit auch weiterhin an eine der aufwändigsten und ambitioniertesten Veranstaltungen, die je in der Stadt abgehalten wurden.

Verfasst von:

Mag. Christian Benesch

Betreuung des Compass-Archivs und von ZEDHIA im Compass-Verlag

Diplomstudium Geschichte an der Universität Wien