Ein Streifzug durch die Geschichte der Posamenterie

Informationen über Produzenten und Händler von Posamenten in Österreich ab 1812

Die Geschichte des Posamentierhandwerks ist eine des stetigen Aufstiegs und langsamen Niedergangs innerhalb zweier Jahrhunderte. Einst ein gut etabliertes Gewerbe mit vielen kleinen Produzenten und Händlern, wurde aus dem Geschäft mit Posamenten eine bedeutende Industrie in der Habsburgermonarchie, um schließlich zu einem sehr spezialisierten, kleinen aber feinen Bereich der heutigen Textilindustrie zu werden. In diesem Artikel werden einige der für die Geschichte der Posamenterie in Österreich und Mitteleuropa interessanten Funde aus dem ZEDHIA-Bestand präsentiert.

Wikipedia gibt zum Begriff Posament folgende Auskunft:

Posamente (aus dem französischen passement) ist eine Sammelbezeichnung für schmückende Geflechte, wie Zierbänder, gewebte Borten, Fransenborten, Kordeln, Litzen, Quasten, Volants, Spitzen aller Art, überzogene Knöpfe und Ähnliches.

Sie können ohne weitere Funktion zum Ausschmücken von Kleidung, Polstermöbeln, Lampenschirmen, Vorhängen und anderen Heimtextilien appliziert werden.

An dieser Definition zeigt sich eine gewisse Schwierigkeit, nämlich die der genauen Abgrenzung von anderen Gewerben und Erzeugnissen. Nicht zuletzt weil sich die Begrifflichkeit im Laufe der Zeit veränderte, viele Posamentierer auch andere Produkte verwandter Gewerbe produzierten und der Ausdruck Posament im allgemeinen Sprachgebrauch der heutigen Zeit viel seltener als noch vor wenigen Jahrzehnten verwendet wird. Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten, dass Posamente vor allem der Verzierung dienende, im Grunde funktionslose, aus Metall- und Stoffgeweben hergestellte Elemente von Bekleidung und Möblierung sind.

Der Brockhaus von 1839 sagt über den Posamentier als Beruf:

Posamentier wird nach dem Französischen der Handwerker genannt, welcher alle Arten von gewebten und gewirkten Bändern, Borten und Schnuren, Franzen, Quasten, übersponnene und ähnliche Arbeiten aus Baumwolle, Wolle, Seide, Gold- und Silberfäden auf dem Posamentierstuhle, der eine Art Webstuhl mit vielen Fußtritten ist, oder auf von Wasser-und Dampfkraft bewegten, sogenannten Bandmühlen verfertigt, welche zu Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrh. vermuthlich von Deutschen erfunden worden sind und welche gleichzeitig mehre, in ihrer jetzigen Vervollkommnung bis 50 Stücke Band, ja selbst mit verschiedenen Mustern liefern. In Deutschland werden Posamentierarbeiten fabrikmäßig, besonders in der Gegend von Barmen, Elberfeld, Iserlohn, Krefeld und im sächs. Erzgebirge betrieben.

In der  Habsburgermonarchie lag in Wien ein Zentrum der Posamenterie im Gebiet des heutigen 7. Bezirks (Neubau) und den daran angrenzenden Teilen der Nachbarbezirke.

So ergab eine überblicksmäßige Auswertung des Verstorbenenverzeichnis im Amtsblatt zur Wiener Zeitung der Jahre 1812-1814, die auf ZEDHIA verfügbar sind, dass ein Großteil der Posamentierer in den Vorstädten 

- Strotzischengrund (= Strozzigrund, heute Teil des 8. Bezirks, bei Eingemeindung Teil des 7. Bezirks)

- Oberneustift (= Schottenfeld, heute Teil des 7. Bezirk)

- Neubau (= heute Teil des 7. Bezirk)

- Mariahilf (= heute Teil des 6. und 7. Bezirk)

daneben in den gleichfalls heute dem 7. Bezirk zugehörigen Vorstädten Spittelberg und Altlerchenfeld residierte. Außerhalb dieser Gebiete gab es hingegen nur noch vereinzelt Posamentierer, etwa in Rossau und der Josefstadt.

Dieser Befund deckt sich sehr gut mit dem sogenannten Brillantengrund bzw. Seidengrund Oberneustift (später Schottenfeld), auf welchem sich früh Weber aus Deutschland und Frankreich niederließen. Bis heute ist der Bezirk Neubau ein Zentrum der noch in Wien verbliebenen Posamentierer geblieben.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es immer wieder Licitationen von öffentlichen Aufträgen, wobei nicht selten auch gleich angegeben wurde, welche Materialien zur Auftragserfüllung erforderlich seien, damit die Auftragnehmer die Kosten besser abschätzen konnten. Die Verlautbarung lautete dann mit Bezug auf die notwendigen Posamentierwaren etwa so wie im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 24.06.1820 (Nr. 50, S. 185):  

Zur Verfertigung der Amtskleidungen der sämmtlichen Dicasterial-Dienerschaft für das Jahr 1822 sind folgende Materialien erforderlich, nähmlich:

[...]

b) Posamentierer-Waaren: 2074 Ellen gelbe 1 ½ Zoll breite seidene Halbborden, 43 detto schmale daumbreite, 15 detto 1 Zoll breite, un 10 ½ detto 1 ½ Zoll breite silberne Borden. 6 Stück silberne Kettelschnüre, 6 detto Armquasten, 6 detto massive Hutknöpfe, 30 detto große und 36 detto kleine silberne Gespunnstknöpfe, 1 detto grün seidenes Stockband mit Silberbollion, 12 detto gelb seidene Stockbänder und Silberbollion, 12 detto gelb seidene Port d’Epee.

Ein wichtiger Kunde der Posamentierer war das Militär, welches etwa Quasten für Tschakos und diverse Schnüre und Abzeichen benötigte. Wie der Bedarf einer Militärverwaltung zu dieser Zeit aussah, zeigt die Lieferungsanzeige im Amtsblatt zur Wiener Zeitung 03.09.1832, Nr. 203, S. 302:

5) Ueber Posamentirsorten und Schnürwerke, als: Borten zu Csako, zu Schabracken, Uhlanenleibbinden, zwirnene Borten zu Grenadiermützen und Spielleutsröckeln, Quasteln zu Csako's und Hüten, Infanterie- und Cavallerie-Port-d'Epées, Helmkammquasten, Leibgürtel, Epaulets, gewirkte Binden, dann melirte und schwarze Rundschnüre.

Wichtige staatliche Aufträge lieferten neben dem Militär auch die Postdienste. Die k. k. oberste Hofpost-Verwaltung Wien forderte im Amtsblatt zur Wiener Zeitung 10.08.1838, Nr. 183 auf S. 190 Angebote für die Lieferung von folgenden Posamenteriewaren:

An Posamentier-Arbeiten: 43 Bund Himmelgüterschnüre, 60 Ellen ordinär seidene Uhrschnüre, 800 Ellen Borten, 1000 Ellen Börtel, 2000 Ellen Schnüre, 60 Ellen grüne Bändchen, 200 Ellen Dochte zu organischen Lampen von verschiedener Breite, 50 Ellen Dochte zu ordinären Lampen.  

Somit gehörte auch die Herstellung von Kerzendochte zum Handwerk der Posamentierer.  Diese bemühten sich auch um die Verbesserung der Dochte, wie die Ausstellung eines Privilegiums im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 05.10.1826 (Nr. 228, S. 561) beweist:

Ausschließendes Privilegium. Se. k. k. Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom 26. Julius d. J. dem Anton Schlesinger, Inhaber eines Privilegiums auf Kerzen, in Wien am Himmelpsortgrund Nr. 1, und dem Anton Tatzel, bürgert. Posamentier am Reubau Nr, 291, auf die Verbesserung der unterm 25, März 1825 privilegierten organischen Kerzen, welche darin bestehe, "die hohlen Dochte aus Garn und Baumwolle jeder Art und jeder Farbengattung, reiner, und in jeder Beziehung zweckmäßiger zu verfertigen, als es bisher mittelst Stühlen und Maschinen geschah, wodurch auch in ökonomischer Hinsicht der Vortheil erzielt werde, daß jene Kerzen eine längere Brenndauer haben," ein ausschließendes Privilegium für die Dauer von fünf Jahren zu verleihen geruhet.

Das 19. Jahrhundert wurde nicht zuletzt durch eine immer schneller voranschreitende Industrialisierung geprägt. Auch für die Posamentierer gab es einen eindeutigen Trend in Richtung Mechanisierung und Reduzierung der Handarbeit. Auch diese Entwicklung ist unter anderem über eingereichte Privilegien nachvollziehbar. So im Amtsblatt zur Wiener Zeitung 03.07.1839, Nr. 150 auf S. 15:

2. Dem Joseph Buchmüller dem Jüngern, bürgerl. Posamentirer in Wien, Vorstadt Neubau Nr. 115, ein fünfjähriges Privilegium auf die »Erfindung, die Chenillen-Bänder, welche bisher vom Mühlstuhle abgeschnitten und erst einzeln aus freyer Hand zu den feinen Chenillen (sammt Schnürchen zum Sticken) zerschnitten werden mußten, der gestalt zu verfertigen, daß das Schneiden beym Bearbeiten der Bänder von selbst vor sich gehe und die freye Handarbeit hierbey in Ersparung komme.«

Eine weitere Erfindung aus dem Amtsblatt zur Wiener Zeitung 29.07.1841, Nr. 207, S. 177, zeigt, dass konkrete Einsparungspotential durch die Mechanisierung noch deutlicher auf:

2. Dem Johann Laun, bürgert. Posamentirer in Wien» Neubau Nr, 213, für zwey Jahre, auf die »Erfindung und Verbesserung echte und leonische Borten auf einem Maschin-Mühlstuhle zu erzeugen» wodurch i) durch eine Person 18 Läufe Borten schneller, schöner und reiner» als bisher hergestellt werden können, und 2) die auf diese Art billiger erzeugten Borten, nicht erst durch eine zweyte Person geputzt zu werden brauchen.«

Traditionelle Posamentierhäuser wurden im 19. Jahrhundert noch häufig angeboten und versteigert, etwa ein Haus in Waidhofen an der Ybbs im Amtsblatt zur Wiener Zeitung 13.03.1840, Nr. 73 auf S. 292:

Posamentierhaus-Verkauf. Von Seite des Stattmagistrates Waidhofen an der Ybbs wird kund gemacht, daß über Einschreiten der Witwe Barbara Trautmann der freywillige Verkauf ihres bürgerlichen Hauses sub Nr. 5, in der obern Stadt allhier, worauf seit undenklicher Zeit das Posamentier-Gewerbe betrieben wird, bewilliget wurde. Dieses Haus ist 1 Stock hoch, von guten Materialien erbaut, mit Schindeln gedeckt, und hat einen angemessenen Haushof, welchen die nöthigen Holzlagen begrenzen. Zu ebener Erde befinden sich außer den gewölbten Vorhause 2 Zimmer, 1 Küche, wobey eine Thüre in einen geräumigen gut gewölbten Keller führt. Im oberen Stockwerke sind zwey Zimmer, und zwey Seilenkammern, sämmtlich freundlich und trocken, dann die gewölbte Küche und Speise. Uebrigens hat der Hausboden mehrere Abtheilungen, und kann als verschiedenartiges Depositorium nützlich verwendet werden. Kaufliebhaber haben sich rücksichtlich des Preises und der sonstigen Bedingnisse entweder persönlich oder in portofreyen Briefen an die obgedachte Witwe selbst zu wenden. Waidhofen den 2. März 1840.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts scheint es eine Vermehrung der Konkursfälle von Posamentierern gegeben zu haben, wobei eine Spitze 1865 erreicht wurde. Auch mussten Posamentierwaren und -häuser bisweilen mehrfach angeboten werden. Besonders in den ländlichen Regionen dürfte sich die Lage für kleine Betriebe deutlich verschlechtert haben.

Während manche Posamentierer aufgrund der wirtschaftlichen Lage in die Zahlungsunfähigkeit schlitterten, stellten sich viele der weiterhin bestehenden Unternehmen auf gewinnbringendere Tätigkeiten um, oder erweiterten schlicht ihr Sortiment. Besonders häufig tritt die Verbindung des Handels von Posamenterie- mit Kurzwaren auf.

Klar ergibt sich aus den Eintragungen im Amtsblatt auch, dass in der österreichischen Monarchie bedeutende Zentren des Posamenteriegewerbes in Böhmen lagen. Neben Prag, Brünn und Reichenberg besonders auch in den heute weniger bekannten kleineren Städten Weipert und Nixdorf.

Exemplarisch soll Weipert (tschechisch Vejprty) vorgestellt werden. In Wikipedia ist über die wirtschaftshistorische Entwicklung der Stadt zu lesen:

Die Zeit von 1860 bis 1910 wurde zu Weiperts Blütezeit. 1872 erhielt Weipert mit Inbetriebnahme der Bahnstrecke Komotau–Weipert einen großzügig dimensionierten Grenzbahnhof. 50 Fabriken, Bankgebäude, Verwaltungs- und Bürgerhäuser machten die Stadt mit ihren fast 13.000 Einwohnern zu einer der bedeutendsten Industriestädte im oberen Erzgebirge.

Hervorzuheben wären für den Bereich Posamente etwa die Unternehmungen der Familie Schmidl, die alsbald eine Zweigniederlassung in Wien gründete (Amtsblatt zur Wiener Zeitung 28.02.1864, Nr. 51, S. 294):

W. Schmidl & Söhne, mit der Hauptniederlassnug in Weipert und einer Zweigniederlassung in Wien. Offene Gesellschaft seil 1. August 1856. Offene Gesellschafter sind: Wenzel Schmidt, Spitzen- und Posamentirwaarenfabricant in Weipert, dann Julius Schmidl, ebendort und Wilhelm Schmidl, in Wien wohnhaft. Jedem derselben steht das Recht zu, die Gesellschaft zu vertreten.

Die Niederlassung in Wien wurde nach dem 1. Weltkrieg und der Gründung der Tschechoslowakei selbständig (Zentralblatt 1920, S. 770):

13.990. Wien, I., Tuchlauben 15, W. Schmidl & Söhne. Zw. N. der der in Weipert bestehenden Hauptniederlassung gleicher Firma. Spitzen- und Posamentiererwarenfabrik und Litzenfabrikation sowie Gemischtwarenhandel en gros. Die Niederlassung in Wien ist nunmehr eine selbständige Niederlassung. — Wien, 14. V. 1920. (Siehe 990 ex 1918.)

Welche Produkte eine Posamentenfabrik der Familie Schmidl in Weipert in den 1930er Jahren produzierte, verrät eine ihrer zahlreichen Anzeigen aus dieser Zeit:

Inserat Posamentenfabrik Schmidl Weipert

[Compass. Industrielles Jahrbuch 1934: Čechoslovakei. S. 1552]

Welche Bedeutung die Posamentenerzeugung in der Tschechoslowakei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte, lässt sich auch am Verbrauch von Rohstoffen und Arbeitsstunden ermessen, die in dieser Statistik für das Jahr 1934 errechnet wurden:

[Compass 1939, Finanzielles JB, S. 1214]

Doch zurück zur Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie: Immer wieder kam es zu politischen und wirtschaftlichen Konflikten Österreich-Ungarns mit seinen östlichen und südöstlichen Nachbarn. Anlässlich eines solchen Konflikts und daraus resultierender Zollerhöhungen, wird im Der Tresor vom 20.05.1886, Nr. 732 ausführlich auf den Umfang des Handels mit Rumänien eingegangen. Bei den südöstlichen Nachbarn waren Posamentierwaren sehr beliebt und es drohte die Konkurrenz aus dem industriell fortschrittlicheren deutschen Reich und Frankreich. Hierzu stellt der Tresor auf Seite 154 fest, dass auch die Eisenbahnbetreiber betroffen wären, denn:

Wie aber jeder Krieg für beide Parteien höchst nachtheilig ist, so werden auch unsere Industriellen, namentlich die Lieferanten Rumäniens in Wien und in Böhmen Anfangs grossen Schaden erleiden. Gehen doch vom Export der Wiener Band-, Posamentier- und Knopfwaren-Industrie nicht weniger als 35 Percent und von Wirkwaaren 20 Percent nach Rumänien. Aber auch für unsere Transport-Anstalten, namentlich die Donau - Dampfschiffahrts - Gesellschaft, die österreichisch-ungarische Staatseisenbahn-Gesellschaft, die Lemberg-Czernowitzer-Bahn und die ungarischen Staatsbahnen ist dieser Zollkrieg um so nachtheiliger, als ihre Situation durch den mangelnden Verkehr ohnehin sehr gedrückt erscheint.

Auch innerhalb Österreich-Ungarns war der Handel mit Posamentierwaren von enormer Bedeutung. Im Handel mit Ungarn gehörten Posamentierwaren zu den bedeutenderen Positionen, wie diese Auflistung im Tresor vom 19.06.1890, Nr. 945, S. 198 zeigt:

Von der Gesammt-Einfuhr im Werthe von 262,681 Millionen Gulden entfallen 219,544 Mill. Gulden auf Oesterreich. Hierunter sind mit den grössten Beträgen vertreten: Baumwollstoffe fl. 24,010.024, Baumwollgarne fl. 4,198.168, Schafwollstoffe fi. 23,454.948, Seide und Seidenwaren fl. 16.260.200 (Seidenstoffe fl. 7.752.000, Bänder, Posamentier- und Knopfmacherwaren aus Seide fl. 4,914.000, Halbseidenwaren fl. 2,057.500), ...

Bemerkenswert ist auch, dass ein Posamentierer zu den ersten Girokontoinhabern bei der Oesterreich-ungarischen Bank gehörte, wie im Tresor vom 17.11.1892, Nr. 1071 auf Seite 361 verkündet wird. Es handelte sich um Langsam Carl & Co.

Ein Bezug zu aktuellen, im Jahr 2018 stattfindenden politischen Debatten in Österreich lässt sich auch mit einem Blick auf die Arbeitszeitregelung im Österreich des 19. Jahrhunderts herstellen. Damals waren die regulären Arbeitszeiten wesentlich länger, worüber teils heftig debattiert wurde. Es bestand jedoch bereits eine maximale tägliche Arbeitszeit, dass waren im Regelfall 11 Stunden. Allerdings konnten die Unternehmer Ausnahmen von diesem 11-Stunden-Tag beantragen. Die genehmigten Ausnahmen waren zeitlich befristet und wurden im Amtsblatt veröffentlicht. Immer wieder gab es auch Posamentierer die von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch machten.

[Amtsblatt zur Wiener Zeitung 30.01.1895, Nr. 25, S. 140]

Einen Überblick über die Bedeutung der Posamenterie für die Wirtschaft um die Jahrhundertwende erhält man auch durch die im Compass 1905, Band II auf Seite 710 ff. veröffentlichten Erhebungen.

Aus der gewerblichen Betriebszählung vom 3. Juni 1902 erfährt man, dass es 560 Posamenten erzeugende Betriebe gab, in denen 6.148 Personen tätig waren. Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiteten bereits in mittleren und großen Unternehmen. Wiederum zwei Drittel, vermutlich die gleichen Betriebe, waren protokollierte Firmen.

Neben Österreich wurde auch die Zahlen für die ungarische Reichshälfte (S. 711) und Deutschland (S.. 712) im Detail erhoben. Die Gewerbezählung von 1895 ergab für Deutschland 12.368 Betriebe und 32.511 Personen die in der Posamentenfabrikation tätig waren. Der deutsche Konsum im Inland wurde nahezu vollständig zu 99 % durch die inländische deutsche Erzeugung gedeckt und der Rest ging mit über 40 % der Gesamtproduktion als Export ins Ausland.

Unter Textilindustrie im Bereich "Diverse" finden sich die Posamentierer im Compass 1906, Band III ab Seite 1110 und natürlich auch in den weiteren Jahrgängen.

Im Zentralkataster 1908, Band 6 für das Land Kärnten finden sich Listen von Anbietern von Posamenten auf den Seiten 189-190, wobei die Mehrheit Unternehmen ihren Sitz in Wien hatten:

Was eine Posamentenfabrik Anfang des 20. Jahrhunderts an Produkten anzubieten hat, kann in dieser Anzeige aus dem Compass 1911, Band III, Teil 2 auf Seite 1864/VI gesehen werden:

Compass 1911, Bd. III, T2, Inserat Jarisch & Salzer

Für Luxusartikel, zu denen Posamenten gezählt wurden, konnte während des 1. Weltkrieges die Zollgebühr laut eigens dafür beschlossenen Gesetz nicht mehr in Goldanweisungen, sondern nur noch in klingender Münze bezahlt werden. Dadurch sollte der Kurs der österreichischen Währung günstig beeinflusst und die Einfuhr der Luxusartikel aus dem Ausland reduziert werden. Der volle Wortlaut des Gesetzes plus Kommentar findet sich im Tresor vom 18.02.1916, Nr. 2322, auf Seite 54.

Das einzige regelmäßig im Finanz-Compass aufscheinende Aktienunternehmen, welches Posamenten herstellte, war die "Erste Österreichische Posamenten- und Spitzen-Fabriks-Aktiengesellschaft vormals Max & Salo Zerkowitz". Der Eintrag im Compass 1919, Band II u. III, S. 478 geht auch auf die Geschichte ein:

Erste Österreichische Posamenten- und Spitzen-Fabriks-Aktiengesellschaft vormals Max & Salo Zerkowitz. Wien, VII. Mariahilferstraße 114. Zweigniederlassungen: Brünn, Obrowitz 21, Mährisch-Trübau. [Konstituiert 10./4. 1911.] Verwaltungsrat: Alfred Heinsheime r (Präsident), Salo Zer- kowitz (Vize-Präsident), Leopold L ü w y, Hugo Möller, Direktor August P o i s s o n, Ludwig Schöffe r, Emil Schwär z, Hugo Strauß, Moritz Stukart, Theodor Zerkowitz. Geschäftsführ. Dir.: Ignaz Schreiber. Aktienkapital: K 3,000.000 in 15.000 Aktien ä K 200; ursprünglich K 1,500.000. G.-v. v. 14./II. 1916 beschloG Erhöhung auf K 3,000.000 durch Ausgabe von 7500 neuen Aktien. Schätzwert lt. Kursblatt exotischer Wertpapiere1) v. 30./6. 1918: K 315. Unter Mitwirkung des Wiener Bankvereines gegründet. Die Gesellschaft übernahm die seit 1840 bestehende Brünn-Obrowitzer Fabrik der Firma Max & Salo Zerkowitz, welche einer baulichen und maschinellen Umgestaltung unterzogen wurde. 1915 wurde von der in Liquidation befindlichen A.-G. Franz Fashold die Fabrik in Wigstadtl (Schlesien) und 1916 von der Firma Brüder Zerkowitz die Fabrik in Leipnik (Mähren) erworben. 1918 errichtete die Gesellschaft eine Filiale in Mähr.-Trübau.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde der Sitz des Unternehmens 1921/22 in die Tschechoslowakei, nach Prag verlegt. Das Unternehmen litt in den 1920er Jahren an dem stetigen Preisverfall seiner Produkte und es folgte, wie der Finanz-Compass von 1930 auf Seite 1214 vermerkt, die Liquidation:

Nach dem Kriege wurde in Wien eine Zweigniederlassung, in Jugoslavien ein Tochterunternehmen gegründet. April 1928 hat die Gesellschaft um ein Moratorium angesucht. Sie strebte einen außergerichtlichen Ausgleich an, bei welchem die Gläubiger bis Kč 2000 die volle Quote und die übrigen Gläubiger 48% ausgezahlt erhielten. G.-V. v. 28./5. 1929 beschloß Liquidation.

Erste deutliche Lebenszeichen der Posamentierer sind nach dem Zweiten Weltkrieg im Handels-Compass von 1946/47 zu bewundern, etwa auf Seite 35 ein Inserat der Firma Sigmund Lendvay:

Compass 1946/47, Handel, Inserat Lendvay

Einen Überblick über die verbleibenden Unternehmen der Branche bietet der Industrie-Compass von 1951 auf Seite 2505:

In den 1990er Jahren ging die Zahl der Unternehmen in der Posamentenbranche deutlich zurück, sowohl durch Auflösungen, als auch Übernahmen.

Unter den wenigen, heute noch verbliebenen, auf Posament spezialisierten Firmen mit Sitz in Wien finden sich vor allem solche mit langer Tradition, die noch immer im alten Zentrum des Seidengewerbes, in den heutigen Bezirken Neubau und Mariahilf ihren Sitz haben. Die längste Tradition dürfte sich, wie auch in der Online-Ausgabe der Tageszeitung der Standard nachzulesen ist, die Firma Karl Peter's Söhne mit dem Gründungsdatum 1732 erhalten haben. Es folgen die Friedrich Ehlmaier Gesellschaft m.b.H. (1844) und die M. Maurer Ges.m.b.H. (1850). 

 

Neben ZEDHIA verwendete Onlinequellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Posament (Abgerufen am 28.06.2018)

http://www.zeno.org/Brockhaus-1837/A/Posamentier (Abgerufen am 28.06.2018)

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Strozzigrund_(Vorstadt) (Abgerufen am 28.06.2018)

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=Neubau_(Vorstadt) (Abgerufen am 28.06.2018)

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Schottenfeld_(Vorstadt) (Abgerufen am 28.06.2018)

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=Mariahilf_(Vorstadt) (Abgerufen am 29.06.2018)

https://de.wikipedia.org/wiki/Vejprty (Abgerufen am 29.06.2018)

https://derstandard.at/2888697/Wiens-aeltestes-Posamentiergeschaeft-feiert-275-Jubilaeum (Abgerufen am 05.07.2018)

Der digitale Firmen- bzw. Wirtschafts-Compass: https://compass.at/de/firmen-information/firmen-compass (Abgerufen am 05.07.2018)

Verfasst von:

Mag. Christian Benesch

Betreuung des Compass-Archivs und von ZEDHIA im Compass-Verlag

Diplomstudium Geschichte an der Universität Wien